Kopfschmerzen, Übelkeit, Konzentrationsstörungen: In schlechter Luft lässt sich nicht gut lernen, das sagt einem der gesunde Menschenverstand. Eine aktuelle Studie der Uni Bremen belegt jetzt, dass der Kohlendioxid-Wert in deutschen Klassenzimmern schon nach wenigen Minuten oft über der seit 100 Jahren bekannten Kopfschmerz-Grenze liegt.

Nur etwa 17 Prozent der Stunde hätten unter optimalen Atemluftbedingungen stattgefunden. Bei einem Kohlendioxid-Wert von 1000 ppm (parts per million) beginnen die Menschen mit Unwohlsein, Kopfschmerzen und Aufmerksamkeitsstörungen zu reagieren. Laut DIN 1946 sind 1500 ppm gerade noch zu tolerieren. Beide Werte werden laut Studie in den Schulen ständig überschritten. Zum Vergleich: In der Außenluft gilt ein üblicher Wert von 350 bis 400 ppm, sagt der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Schulforschung (ISF), Gerhard Tiesler. "Grenzwert für einen Arbeitsplatz in Deutschland sind 5000 ppm."

Kopfschmerz-Grenze erreicht 

Richtig gefährlich sind die hohen CO2-Konzentrationen noch nicht, räumt Tiesler ein - auch wenn Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen ein erhöhtes Unfallrisiko bedeuten könnten - ein Grund, warum die Unfallkasse Hessen und der Gemeindeunfallversicherungsverband Hannover die Studie finanziert haben. "Die Frage ist aber natürlich, ob sich die Lernergebnisse durch die schlechte Luft verändern." Tiesler beantwortet die Frage selbst: "Einmal lüften nach 20 Minuten bringt einen messbaren Effekt, was Konzentration, Disziplin, Lärmpegel und Herzfrequenz angeht." Insgesamt hat das ISF-Team 220 Unterrichtsstunden in drei Schulen aufgezeichnet. 110 Stunden unter üblichen Bedingungen, 110 mit den selben Klassen und demselben Stundenplan mit einer zweiminütigen Pause zum Lüften nach der Hälfte der Stunde.

"Alle 20 Minuten Fenster auf!"

Während ohne Lüften die Zahl der Störungen durch Schüler den Vormittag über ständig angestiegen sei, sei sie - mit Lüften - deutlich niedriger und über den Tag gleichbleibend geblieben. In einigen Klassen sank die Zahl der Störungen auf die Hälfte, so Tiesler. Auch hätten die Schüler mit frischerer Luft bei den Aufmerksamkeitstests besser abgeschnitten. Der Dialoganteil im Unterricht nehme zu. Insgesamt sinke die körperliche Beanspruchung von Schülern und Lehrern. Für Tiesler steht fest: "Einmal lüften bringt noch nicht drei Pisa-Punkte, aber bessere Konzentration."

90-minütige Doppelstunden kommen für ihn deshalb ohne fünf-minütige Pause überhaupt nicht in Frage. " Das ist der größte Fehler, den man machen kann. Aber schon bei 45-Minuten-Stunden muss alle 20 Minuten kurz gelüftet werden." Und zwar mit weit geöffnetem Fenster, betont Tiesler: "Kipplüften bringt kaum einen Effekt." Schlechte Luft kennen Büroangestellte auch aus Großraumbüros. Die seien jedoch nicht ohne weiteres vergleichbar, sagt der Arbeitswissenschaftler: "Meist sind Büros ja klimatisiert. Auch die Schulen in Finnland haben Lüftungs- oder Klimaanlage. Da stellt sich das Problem nicht."

 

Quelle:
Frankfurter Rundschau, 25.04.2008
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?em_cnt=1324720